Kontemplative Farbschwingungen

Rede zur Ausstellungseröffnung
Wie im Fluge - Malerei von Jürgen Kellig
26.01.2007 von Sabine Aichele-Elsner

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kunstfreunde,
ich begrüße Sie sehr herzlich zur Vernissage der Ausstellung "Wie im Fluge". Ich begrüße ganz besonders den Künstler Jürgen Kellig, dessen Werke wir in dieser Schau sehen können, der aus Berlin nach Leipzig durch die wirbelnden Schneeflocken nicht ganz mühelos gereist ist. Auch wenn nicht ganz zeitnah, doch noch im Rahmen möchte ich allen, denen ich noch nicht persönliche Wünsche ausgesprochen habe, nochmals Gesundheit, Glück und viel Erfolg für das Jahr 2007 wünschen. Wie im Fluge ziehen an uns Bilder, Landschaften, Erinnerungen und Momente vorbei. Vor allem im Moment des Innehaltens, der z.B. von vielen bewußt in den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr erlebt wird. Manchmal genügt es auch nur eine Woche oder einen Monat zurückzublicken und es stellen sich warme, kühle oder helle Stimmungen ein. Diesen Moment des Innehaltens und des Sich-Einlassens verlangen die Bilder von Jürgen Kellig. Die subjektive Erfahrbarkeit und individuelle Erinnerung an Etwas werden durch die Bilder von Jürgen Kellig ausgelöst und stellen einen ersten emotionalen Einstieg in seine Malerei dar. Eine weitere Möglichkeit, den gegenstandlosen Ölbildern zu begegnen, ist über die Werkimmanenz des Künstlers. Vor der hier gezeigten Serie "Wie im Fluge" arbeitete Jürgen Kellig an "Verwüstungen". Ebenso gegenstandlos handeln die "Verwüstungen" von Oberflächenstruktur, Organischem und sind als Folge der vielen Reisen des Künstlers zu sehen. Angetrieben von einer inneren Unruhe und Suche nach Reflexionsraum, fand der Künstler auf seinen Reisen in Südostasien, Mexiko und vielen anderen Orten Inspiration. Berührt haben ihn nicht die bunten Regenwälder, sondern die kargen Wüstenlandschaften, die durch kleine Spuren von Tieren oder Pflanzen sich interessant machen und letztendlich durch ihre Reduktion wieder eine Vielfalt aufweisen, die begeistert. Sind bei den Wüstenbildern das Organische und die Oberflächenstruktur noch wichtig sind, geht Kellig in der Serie "Wie im Fluge" zur reinen Farbe über. Diese Ablösung bedeutet eine Annäherung an das Wesentliche, in welchem das Klingen von Dissonanzen und Harmonien im Mittelpunkt steht. Die letzte Möglichkeit sich "Wie im Fluge" zu nähern, findet sich im Kontext der Kunstgeschichte. Dem geübten Seher fallen sofort Namen wie Barnett Newman, Clifford Still, Max Ackermann, Marc Rothko, Ad Reinhard, Yves Klein, Günter Förg oder Bridget Riley ein. Doch eine Abhandlung der Entwicklung von konkreter, abstrakter Kunst möchte ich hier nicht durchziehen. Sondern ich ziehe nur ein paar ausgewählte Vergleiche heran,die zur Annäherung und Positionierung dienen. Rein formal ist der Vergleich mit Barnett Newman interessant, denn seine Farbflächen sind klar getrennt. Es entstehen harte Kanten an den Stellen, wo sich die Flächen berühren. Kellig hingegen ist es wichtig, dass die Flächen teilweise auslaufen und nicht hart abschließen, sondern ein diffuses Schwirren entsteht. Nach Barnet Newman erwarten die Betrachter immer erkennbare Gegenstände auf Bildern und verwechseln dies mit Inhalt. "Erst dann meinen sie, das Gemälde sei ausgefüllt." Doch hier rät Newman zur Vorsicht und sagt, dass Inhalt auch ohne Gegenstände "Die zentrale Frage der Malerei ist der Inhalt." Und Inhalt ist nicht mit Gegenstand zu verwechseln. Barnet Newman geht sogar soweit, dass er sagt, Gegenstände seien manipulativ. Für seine Malerei gilt die Intuition, er bezeichnet sich als direkten Maler. Er setzt sich mit dem Unmittelbaren und dem Besonderen auseinander. Sein Anliegen gilt der Fülle, die aus dem Gefühl kommt. "Wer vor meinen Gemälden steht, sollte fühlen, wie ihn die vertikalen, kuppelartigen Gewölbe umfangen und ihm die Erfahrung seines lebendigen Selbst in der Wahrnehmung des vollständigen Raumes vermitteln." Zitat Max Ackermann entwickelte bereits in den 20er und 30er Jahren eigene Farb- und Formtheorien, die er speziell in den 60er Jahren erstmals mit Acrylfarben umsetzte. Ackermann geht es um eine Urfarbe und Urform, die aufeinander reagiert und ein Absolutes Bild ergibt. Dieser Grundthese ging Max Ackermann in seinen 80 Jahren künstlerischen Schaffens nach. Oder Yves Klein, der in Paris mit einem Chemiker gemeinsam das sogenannte "Yves Klein Blau" entwickelt. Auch ihm geht es um das Absolute der Farbe an sich, verknüpft mit dem Kosmischen und Transzendentalen. Im Kontext der ersten Bilder der Erde, die 1961 aus dem All gemacht wurden und seiner persönlichen Erfahrung des immer - blauen Himmels in Nizza, wo er aufgewachsen ist, entwickelt der Französische Künstler sein unverwechselbares Markenzeichen und setzt neue Maßstäbe in der Kunst. Die Religiösität in Farbe, die 20minütige Ruhe, die einem 20minütige Ton vorausgeht, reduzieren die subjektive Wahrnehmung und konzentrieren die Stimmung. Die größte Ähnlichkeit ist meines Erachtens zu den Arbeiten von Marc Rothko zu sehen. Hier geht es auch um den Charakter, die Wärme, das Empfinden, die Kombination von Farbe, die auf sich selbst reduziert ist. Durch das Flirren in Kelligs Bildern könnte sogar ein Vergleich und Zusammenhang zu der Kunstrichtung OP ART gezogen werden. Damit steht Kelligs Arbeit in einer gewissen Tradition und findet trotzdem eine eigene Sprache. Allen hier genannten und hier gezeigten Werken ist die Kontemplative Farbschwingung gemeinsam. Der ersten Irritation und Unruhe beim Betrachten, folgt eine meditative Atmosphäre und Ruhe. Diese Kontemplative Farbschwingung erreicht jeden Betrachter in unterschiedlicher Weise und bereichert das persönliche Empfinden, Sehen und Bewußtsein.

Sabine Aichele-Elsner, ARTAE Galerie & Kunstvermittlung, Leipzig